Montag, 21. September 2015

Schleswig-Holsteinerin soll beim Morden in Auschwitz geholfen haben

Kiel. In Schleswig-Holstein kommt es aller Voraussicht nach noch einmal zu einem Auschwitz-Prozess. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes hat beim Landgericht Kiel Anklage gegen eine 91-jährige ehemalige SS-Helferin erhoben. (Von Wolfram Hammer, 21.09.2015 23:41 Uhr)

Die Frau soll heute in Neumünster leben.
Fast zwei Jahre lang haben die Staatsanwälte im Norden gegen die heute 91-Jährige ermittelt. Sie werfen ihr Beihilfe zum Mord in 260.000 Fällen vor. Sie soll zwischen April und Juli 1944 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau als Funkerin der Kommandantur den Tätern und Gehilfen bei der systematischen Ermordung aus Europa verschleppter Juden geholfen haben, heißt es in der Erklärung des Generalstaatsanwaltes.

Die heute 91-Jährige war bereits in den 70er Jahren ins Visier der Fahnder geraten. Damals allerdings verhinderte ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) Anklagen gegen Helfershelfer wie sie, die sogenannten „Randbeteiligten“ des NS-Massenmordens. Ihnen hätte dazu die Beteiligung an einer ganz konkreten Tat innerhalb des KZs nachgewiesen werden müssen, was meist nicht mehr möglich war.

Ein BGH-Urteil von 2006 gegen die Hamburger Helfer beim Attentat aufs World-Trade-Center änderte das. Seither kann auch verurteilt werden, wer in groben Zügen vom Verbrechen wusste, zu dem er Beihilfe leistet. In der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg legten die Staatsanwälte sofort los, schlossen Vorermittlungen gegen bundesweit 30 ehemalige KZ-Aufseher ab und gaben die Verfahren an die örtlichen Staatsanwaltschaften ab.

2011 zum Beispiel verurteilte das Landgericht München den Ukrainer John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in 20 000 Fällen im Vernichtungslager Sobibor zu fünf Jahren Haft. Er sei „Teil der Vernichtungsmaschinerie“ gewesen, so die Münchner Richter in ihrer Urteilsbegründung. 2013 bekamen auch die Staatsanwälte in Schleswig-Holstein Post aus Ludwigsburg. Es war der Fall der heute 91-Jährigen. Ob und wann die Hauptverhandlung gegen sie eröffnet wird, entscheidet jetzt das Landgericht Kiel.

„Den Schritt der Staatsanwaltschaft begrüße ich, auch wenn eine folgenreiche Verurteilung bei dem Alter der Beschuldigten recht unwahrscheinlich erscheint“, sagt der Historiker und Direktor des Flensburger Instituts für Zeit und Regionalgeschichte Professor Uwe Danker. Jeder Versuch der rechtlichen Ahndung der angenommenen Beihilfe zum mehrhunderttausendfachen Mord in Auschwitz sei „ohne zeitliche Begrenzung notwendig“.

Der späte Eifer drücke wohl auch ein schlechtes historisches Gewissen der bundesdeutschen Staatsanwaltschaften aus. Sie hätten bis Ende der 50er Jahre buchstäblich nichts, später oft halbherzig wenig unternommen, um die Täter und Mittäter angemessen strafrechtlich zu verfolgen.

ln-online.de 21.09.15

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